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An(ge)dacht zum Jahresbeginn 2021

Wenn wir auf die Jahreslosung für 2021 schauen, dann scheint es fast so, als wäre sie als die positive Quintessenz des letzten Jahres ausgesucht worden, als solle mit ihr das festgehalten werden, was uns während des Corona-Jahres vielleicht am meisten berührt und beein-druckt hat  - der Umgang miteinander, die Aufmerksam-keit, mit der man sich begeg-nete, die Hilfe, die ungefragt geleistet wurde.

Die Jahreslosung 2021, das Bibelwort also, das über jedem der 365 Tagen dieses Jahres steht, lautet:


Jesus Christus spricht: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6,36)

Gott ist barmherzig! Das ist die glaubende Voraussetzung für die Aufforderung an uns Menschen, selbst auch barmherzig zu sein, sich ein „Beispiel“ an Gott zu nehmen, von dem es in Psalm 103,8 heißt: „Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.“


Gott geht gewissermaßen in eine dauerhafte Vorleistung uns gegenüber. Er ist barmherzig, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Er ist barmherzig, und gnädig und voller Liebe, weil er es nicht anders will.

Er will allerdings, dass wir es auch wollen.

Darum ringt er, dafür setzt er alles ein, das wünscht er sich von ganzem Herzen, wenn wir einmal so menschlich von Gott sprechen wollen.

Barmherzig sollen wir sein – in dauerhafter Vorleistung den anderen Menschen gegenüber.

Er will es, weil er weiß, dass es die einzige Chance für die Welt, seine Schöpfung und für uns Menschen darstellt.


An zwei Geschichten möchte ich erinnern, die Jesus erzählt hat.

Beide Geschichten sind in unser kollektives Gedächtnis hineingewebt und müssen doch immer wieder zu Gehör gebracht werden.

Die eine Geschichte erzählt von Gott. Die andere von uns.

Und in beiden geht es um Barmherzigkeit.


Schauen wir zunächst auf die Geschichte vom verlorenen Sohn – nachzulesen bei Lukas im 15. Kapitel:


Da ist ein Vater, der zwei Söhne hat.

Der jüngere verlangt sein Erbteil noch zu Lebzeiten des Vaters, haut von zu Hause ab, schert sich einen Dreck darum, wie es dort weitergeht, sondern lebt sein Leben, berauscht sich, verprasst alles und landet im Dreck. Er geht in sich, erinnert ich daran, wie gut er es doch hatte bei seinem Vater und will zurückkehren. Er will um Vergebung bitten und sich als Knecht bei seinem Vater verdingen. Nicht mehr Sohn sondern Knecht.


Und dann hören wir vom Vater – und es treibt uns die Tränen in die Augen und zerreißt uns fast das Herz:

 „Und der Sohn machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und der Vater lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Lukas 15,20


Der Vater wartete. Tag um Tag. Er saß und schaute, er stand und suchte, er saß und hoffte, er stand und sehnte sich - Tag für Tag.


Und dann läuft er, läuft, so schnell ihn die Füße tragen, läuft, bis er seinen Sohn erreicht.


Noch bevor dieser auch nur ein einziges Wort sagen kann, bevor er überhaupt die Chance bekommt, sich zu entschuldigen, liegt er schon in den Armen des Vaters. Der Vater fällt seinem Sohn um den Hals, er umschlingt ihn liebevoll und küsst ihn! Ein Kuss für den verlorenen und wiedergefundenen Sohn.


Ja, der Vater ist Gott!

Jesus erzählt diese Geschichte, um zu zeigen, wie Gott aus Liebe in Vorleistung geht. Das ist es, was wir von Gott wissen müssen. Gott hat unendliche Sehnsucht nach dir und nach mir. Er will dich und mich in den Arm nehmen. Er will dir und mir einen Kuss auf die Stirn und die Wange geben, um mir zu zeigen, wie tief seine Liebe zu jedem Menschen ist.


Und er küsst auf eine weiße und schwarze, auf eine gelbe und braune, auf eine rosa und rote Stirn – weil alle Menschen seine Töchter und Söhne sind.


Gut, wenn wir das von Gott wissen:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Ja, Gott ist barmherzig!


Und dann erzählt Jesus auch noch die Geschichte vom barmherzigen Samariter in Lukas 10. Wir sind nun mit unserem Handeln und unserer Vorleistung angesprochen. Es ist die Beispielgeschichte für uns.


Da ist also einer, der unverschuldet in Not geraten ist. Und da ist ein anderer, der in diesem Menschen, der Not litt, einfach den Menschen sah, der Hilfe benötigte – und half ihm!


Diese Geschichten haben das Potential, unsere Gesellschaft auch weiterhin nachhaltig zu verändern und besser, menschlicher, barmherziger zu machen.


So wünsche ich Ihnen für das Jahr 2021 – und für Ihr ganzes Leben, dass sie spüren und es glauben können, mit welcher Liebe und Barmherzigkeit Gott Ihnen entgegen kommt.


Und ich wünsche Ihnen für das Jahr 2021 – und für Ihr ganzes Leben, dass Sie solche Begegnungen der Barmherzigkeit haben.


Amen.


Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Albrecht Henning

An(ge)dacht Jahresbeginn: Text
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